Die Fledermaus

Shownotes

So haben Sie den Operettenhit noch nie erlebt: Zum 200. Geburtstag von Walzerkönig Johann Strauss kehrt sein Meisterwerk DIE FLEDERMAUS zurück an den Ort seiner Uraufführung - und auch dieses Mal ist die Direktion künstlerisch involviert: Während vor rund 150 Jahren noch Direktorin Marie Geistinger in der Hauptrolle der Rosalinde brillierte, zeichnet nun Hausherr Stefan Herheim persönlich für die Regie verantwortlich.

In der neuen Folge Probenzimmer sind Stefan Herheim (Inszenierung) und Petr Popelka (Musikalische Leitung) zu Gast bei Dramaturg Christian Schröder und geben einen Ausblick auf DIE FLEDERMAUS am MusikTheater an der Wien.

Die Fledermaus

Transkript anzeigen

00:00:06: Probenzimmer.

00:00:07: Der Podcast vom Musiktheater an der Wien.

00:00:10: Heute mit Christian Schröder.

00:00:21: Die Fledermaus.

00:00:22: Das Meisterwerk von Johann Strauß steht im Oktober, im Musiktheater an der Wien am Programm.

00:00:30: Anlässlich dieser Neuinszenierung hatte ich das Vergnügen mit Regisseur Stefan Herrheim und Dirigent Peter Popelka zu sprechen.

00:00:38: Wie geht ihr eigentlich damit um, dass diese Fledermaus eigentlich ein Kultobjekt dieser Stadt ist?

00:00:43: Ist es eigentlich was anderes?

00:00:44: Wenn man weiß, ist es so ein bisschen sakrosant.

00:00:48: Darf man das anrühren und wie rührt man das an?

00:00:51: Wie geht man da um?

00:00:55: Ja, das

00:00:56: ist die Frage natürlich.

00:00:58: Schönen guten Morgen.

00:01:00: Ich glaube, ich habe es euch jetzt ein paar hundertmal gesagt auf den Proben.

00:01:03: Keine Sorge, es kann eh nur schief gehen.

00:01:07: So hundert Jahre draus, Ur-Afführungsort, Fledermaus, das ist so eine Sache.

00:01:12: Und an der Operette Fledermaus merkt man vielleicht auch am meisten, weil es eben so ein Kleinhort ist, so ein Juwel ist, das meistgespielte Stück aus diesem Schanker überhaupt, wie es überhaupt steht mit der Operette.

00:01:26: Daran wird eigentlich gemessen auch eine... Kunstform, die natürlich hundertfach ihren eigenen Tod quasi ausgesprochen bekam und wie für nichts auf der Asche es doch geschafft hat, immer wieder hervorzuscheigen.

00:01:39: Also ich spiele ja wahnsinnig gern mit diesen ganzen Erwartungshaltungen natürlich und mal schauen, was uns gelingt diesbezüglich.

00:01:50: Ich bin kein Spielverderber.

00:01:52: Ich liebe das Stück sehr.

00:01:53: Darüber werden wir bestimmt auch viel reden, weil das eben weit mehr ist, als eigentlich das, was wir unter Operette allgemein so verstehen.

00:02:02: Und es charakterisiert eigentlich so ein bisschen den Tenor, der ganzen Grundhaltung des Musiktheaters im Jahrhundert und wie wir eben entsprechend daraus ein Kunstverständnis entwickelt haben.

00:02:13: Fledermaus ist ein Welthit, also ich gehe davon aus, dass ihr in euren jeweiligen Heimatländern Tschechien und Norwegen auch schon mit der Fledermaus sozialisiert worden seid, oder?

00:02:22: Oh ja, also ich stand mit Sechzehn auf der Bühne in der Fledermaus und durfte dann als Diener des Olafsky den Champagner eingießen.

00:02:30: Und ich glaube, wir haben die Flüssig-Fünfzig-Vorstellungen gespielt, in den da der Folgen ein, zwei, drei Jahren von diesen Inszenierungen, die tatsächlich aus der Volksoper kamen, von Robert Herzl inszeniert und ständig kamen neue Gäste, die dann auf Deutsch gesungen haben, obwohl die Vorstellung natürlich auf Norweggeschließ, lief, also es war völlig Babylonisch, aber es war ganz fantastisch.

00:02:48: Also ich wollte ja eigentlich im Account der Nordwerden und plötzlich stand Jochen Kowalski vor mir und ich war so nervös, ich ... schafft es gar nicht, meine Beine zu rühren und ihm diesen Trunk einzuschenken.

00:02:59: Da kam er auf mich zu und hat einen Witz gemacht, der dann auch einging in diese Produktion aufgrund meiner Nervosität.

00:03:05: Und das setze ich jetzt fort.

00:03:06: Ja, ich wollte sagen, damit stehst du in einer illustren Tradition, weil die damalige Intendante Marie Geistinger eben auch durchaus Bühnerfahrung mit diesem Stück gehabt hat.

00:03:15: Wie sah es bei dir aus, Peter?

00:03:16: Hast du das Stück gesehen oder hast du es dann, du bist ja von Haus aus eigentlich Kontrabassist und zunächst mit dem Kontrabass kennengelernt?

00:03:23: Genau, also ich habe Ledermaus, ich habe das natürlich gekannt, die Overtüre, also die kennt ja jeder, auch hier der Dirigent, das ist bekannteweise einer der schwierigsten Stücken zu dirigieren, gibt es immer wieder bei Fortdedigaten und so weiter, also das kennt man natürlich die Overtüre und so, aber ganze Stück habe ich zum ersten Mal in einem von den Silvestern in Dresden gespielt aus dem Kontrabassystem, in der Semper-Opel, in Dresden-Wahl.

00:03:47: Und da haben wir Freyden-Maus natürlich oft gespielt und das war eine von meinem ersten Erfahrungen mit dem ganzen Stück.

00:03:55: Wie ist denn die Kontrabassstimme in der Fledermaus?

00:03:57: Ist das Prominent?

00:03:58: Geigt man die ganzen Walzer mit oder ist das eher spärlich?

00:04:02: Genau, die Kontrabasse haben ganze Zeit die Melodie und alle anderen begleiten.

00:04:08: So ist das bei diesem Instrument, richtig?

00:04:11: Ja, ja.

00:04:11: Das ist so lustig.

00:04:13: Bei diesen Stücken, wenn man in diese Kontrabassstimme guckt und man sieht nur diese Eins, bei den Walzern immer Eins.

00:04:20: Eins.

00:04:20: Bei jedem Tag strikt Protakt eine Note.

00:04:25: Dann weiß man überhaupt nicht, welche Melodie dazu drüber kommt.

00:04:29: Also dann fängt man an zu spielen, ah, das ist diese bekannte Wauze.

00:04:31: Hatte gar nicht erkannt nach den Noten natürlich.

00:04:35: Das heißt, du hast aber auch viele Interpretationen wahrscheinlich kennengelernt von verschiedenen Dirigenten.

00:04:42: Gibt es etwas... wienerisches in diesem stück?

00:04:45: also weil ich habe mich gefragt oder wenn ich mich mit Kollegen von der volksoper unterhalte musikalisch dann dann bekomme ich sehr oft gesagt Diese Interpretation klang wienerisch und diese klang nicht wienerisch.

00:04:57: Und kann man das definieren?

00:04:59: Das

00:04:59: ist das ist wahnsinnig schwer darüber zu sprechen, weil was klingt wienerisch, was klingt böhmisch, was klingt typisch französisch und so weiter.

00:05:06: Man kann das schwierig in die Werte zu fassen.

00:05:08: Und sobald du das in die Werte fasst, ist der Zauber vorbei.

00:05:11: Man muss das einfach hören.

00:05:12: Man muss es hören und dann irgendwie spüren.

00:05:14: Aber ich muss sagen, ich habe viele Interpretationen vom Flädermaus erleben können.

00:05:19: Leider die Interpretationen oft sind da.

00:05:22: bezeichnet, dass man das Stück nicht probt.

00:05:24: Also, wenn man sich die Partitur von ihm anschaut, also ist unglaublich, wie viele Details er da schreibt, gerade an Piani und so weiter, an Stellen, die man leider in den Berthalhäusern so oft einfach nur, einfach nur laut hört.

00:05:36: Und schon aus dem Kontrabassisten waren, ich habe gesehen, also da Pianismen und so weiter, die Sänke sollen eigentlich Soto-Worzsche singen können und ganze Orchester spielt.

00:05:45: wie verrückt, weil das halt nicht geprobt wurde.

00:05:48: Da dachte ich schon, wenn ich einmal die Chance hätte, die diese Fledermaus zu machen, würde ich mit Distanz auf die Dynamik achten.

00:05:55: Aber was klingt wienerisch und was nicht?

00:06:00: Das geht vom Tempo her und vor allem vor der Artikulation.

00:06:05: Ich glaube auch schon Schubert hat das gesagt.

00:06:07: Es ist unmöglich für ihm zum Beispiel, wenn er punktiert, der Rhythmus.

00:06:11: Das ist das bekannte.

00:06:15: Es gibt nicht so ein Noten, die das einfach schreiben kann, was Schubert zum Beispiel wollte.

00:06:20: Zwischen Triole und Sechzehnte, das gibt es nicht.

00:06:24: Und das ist genau so zum Beispiel bei dem Flädemaus, also solche Sachen.

00:06:27: Also der Rhythmus ergibt es nur mit dem Text.

00:06:30: Nur mit dem Text oder die eine Phrase.

00:06:32: Es gibt nicht auch eine Tempo vom eine Aree oder sowas.

00:06:35: Das Tempo ändert sich sehr, sehr ständig.

00:06:39: Und das vielleicht macht, wenn man das schon in die Werte fassen sollte, das macht vielleicht das Nierische aus, diese bestimmte Diktion des Rhythmus und die Flexibilität sozusagen vom Tempo, vom Anfang.

00:06:51: Das heißt, man muss das Stück eigentlich als Musiktheater aufhören, also nicht als ein Stück, wo man ausgeht.

00:06:57: Es ist schon eh bei jedem Musiker verankert, sondern man muss mit der Regie zusammen eigentlich entwickeln, welches Tempo braucht, eine Stelle um

00:07:05: zu funktionieren.

00:07:06: Absolut, Text, also an der erster Stelle.

00:07:09: Ich glaube, ich glaube... Wir haben heutzutage in Openhäusern überall die Subtitels, aber eigentlich, man muss das Text einfach verstören können.

00:07:19: Das ist für mich immer das Wichtigste, dass die Leute das Text einfach verstören können, ohne dass das irgendwie verstärkt sein müsste oder dass man das mitlesen müsste.

00:07:27: Das Verwunderliche ist ja auch das Strauß, als das Stück dann so populär war, dass auch die Staatshofer es übernommen hat, dem Reptor völlig entsetzt war, weil hier war das ja ursprünglich eher mit... Sänger-Darsteller beziehungsweise Schauspielerinnen besetzt.

00:07:39: Und er konnte sich das gar nicht vorstellen mit ausgebildeten Opernstimmen.

00:07:43: Was wir wiederum heute uns gar nicht vorstellen können, weil es so anspruchsvoll und virtuos komponiert ist, also das sagt schon mal was über die Geistdinger, was sie drauf gehabt haben muss, die sich ja auch weitgehend gerade in diesem Chancre mit Offenbach und so weiter als eine Darstellerin verstanden

00:07:57: hat.

00:07:59: Es war so, dass das Strauß dann zumindest in Chardasch einmal in einer Opernversion nachkomponiert hat, der ist aber nie eigentlich aufgeführt worden.

00:08:07: Das war für eine Sängerin, die damals in der Wiener Staatsoper engagiert war.

00:08:11: Und wie du gesagt hast, natürlich hat das Stück dann trotzdem gerade an der Wiener Staatsoper so ein Siegeszug angetreten.

00:08:18: Das bringt mich gleich zur Regie, weil du auch dafür bekannt bist, dass du dich sehr mit dem Leben der Komponisten auseinandersetzt, auch in deinen Inszenierungen.

00:08:28: Also wir erinnern uns zum Beispiel an das Schlau Füchslheim, mit dem du die Intendanz eröffnet hast, wo auch ein Leo Schianacek auf der Bühne war, also der Künstler, der selbst seine eigene Schöpfung betrachtet.

00:08:39: Wie wichtig war bei der Fledermaus für dich die Beschäftigung mit der Person von Johann Strauss und all dem, was da folgte?

00:08:48: das Statuarische, das Denkmal, was man Johann Strauß gesetzt hat.

00:08:52: Hat das eine Rolle gespielt?

00:08:53: oder hast du gesagt, hier distanziere ich mich davon?

00:08:59: Es spielt immer eine riesige Rolle.

00:09:01: Wer steht hinter diesem Werk?

00:09:03: Wer hat es erfunden?

00:09:05: Man muss sich hineinversetzen einfach in diesen Menschen oder Versuchen aus unserer Zeit heraus sozusagen.

00:09:12: in der damaligen einzusteigen und das mitzunehmen und vergleichen und sozusagen Anwalt werden für die Sorgen, für die Bedürfnisse und für die Liebeserklärungen, die mit diese Musik dann auch uns als Kulturerbe überlassen worden ist.

00:09:29: Aber eben, man kann nichts anfassen wirklich ohne die Hände schmutzig zu machen und in dem Moment wird man eigentlich mit Täter in einem Prozess, der immer fort gesetzt wurde.

00:09:38: Also es geht nicht nur um die Periode, in der das Werk entstand.

00:09:41: Es geht auch genauso viel um das, was davor passiert ist.

00:09:45: Achso, Null Eins wurde dieses Haus errichtet.

00:09:47: Beton war so Gast unter Schikanäles Leitung damals.

00:09:50: Das Singenspiel hatte Hochkonjunktur.

00:09:52: Aus dieser Tradition, aus dem Stehgreifspiel heraus, ist auch die Operette entstanden.

00:09:58: Natürlich damit ein wahnsinniger Einfluss von Paris aus dann kommt.

00:10:02: Aber mir ist es wichtig, sozusagen die gesamte Kontinuität, der Entwicklung eines Genres aus anderen Genres usw.

00:10:10: und diese Fortbestand so zu grundieren und sich bewusst zu werden, dass wir mitträger werden, eine größere Tradition und dass wir aus dieser Vergangenheit heraus auch immer aus der Notwendigkeit heraus versuchen zu agieren, Zukunft gemeinsam zu gestalten.

00:10:29: Und ich glaube, das ist egal, welche Kunst u oder e oder ernst oder nicht ernst, also wir wissen der Walzer, kommt ja aus Ländler, davor natürlich an höfische Ebene, französische Menüette und so weiter, aber im Prinzip ist es der Ländler.

00:10:42: Also es ist in Wien auch ein totales Fasinosum für mich gewesen, gerade in den Jahren von Johann Strauß, der ist zum nächsten Mal in der der Franz Joseph der Erste Kaiser wird mit Achtzehn, ein Revoluzzer selbst ist, und wenige Jahre danach schreibt er eben Hymnen auf den neuen Kaiser.

00:11:01: Und sein Vater hat ja schon Radeski-Marsch und so weiter komponiert.

00:11:05: von ihm absetzen.

00:11:06: Aber alles in allem ist es wichtig, einfach in diesen Gefüge so zu spüren.

00:11:10: Es ist ein unglaublicher Demokratisierungs- und Befreiungs- und Emanzipationsprozess, der hinter diesen ganzen Werken eigentlich steht.

00:11:22: Und leider sind wir kein Schritt weitergekommen, ganz im Gegenteil.

00:11:25: In unserer Zeit bewegen wir uns wieder rückwärts.

00:11:33: Wir sind fassungslos diesbezüglich und versuchen natürlich dann nach wie vor aus dieser Haltung heraus, Leute, wir wissen doch eigentlich besser, trotzdem das Lachen nicht vergehen oder zu verlernen in diesen Prozessen und diese Idee von Gleichheit, Brüderlichkeit und die Ideen der Revolution, der Aufklärung usw.

00:11:54: vorzusetzen.

00:11:55: Und da spielt in Wien die Musik eine maßgebliche Rolle.

00:12:00: Kar und Kar, diese Monarchie, war ja eigentlich ein Vorgänger, man so will.

00:12:04: Also erstmal heiliges deutschisch-drömisches Reich natürlich.

00:12:10: Kaisertum wurde Österreich erst mit der Auflösung dieses römischen Reiches als Folge auch von Napoleon's Eigenkrönung in Paris.

00:12:22: Franz I. dann der Zweite, also von König wurde er zum Kaiser und in Zuge der Entwicklungen auch unter Metternicht.

00:12:30: Unglaubliche antirebulationäre Kräfte haben sich freigesetzt und das folgt wirklich auch... eingesperrt natürlich mit unglaublichem Saisonmaßnahmen usw.

00:12:41: und gleichzeitig brodelt es also dermaßen unter der Oberfläche und es passieren aber fantastische Geschichten gerade in den Ballsälen, in den Reduten-Sälen Wiens, wo eben der Adel sich mischt, wie beim Maskenfest nach venezianischen Vorbild, wenn man so will, mit dem Volk,

00:12:58: wo

00:12:59: Der Walzer plötzlich salonfähig wird, wo der Kaiser mit tanzt und wo aus allen vielen Ländern dieses Reiches zusammengesetzt, unterschiedlichste Masurge aus Polen, der Polke aus Tschechien, wie wir wissen aus Ungarn im Nechadas.

00:13:14: Also da kommen unglaubliche Kräfte zusammen und entwickeln eigentlich vorbildhaft nahezu das, was auch heute der Europäische Union idealitär hätte sein können müssen wie auch immer.

00:13:24: Also das geht alles ein in dieser Prozesse, wie wir darüber nachdenken und es ist eher ein Versuch, sozusagen dieses Wissen zu verwalten und gleichzeitig natürlich diese Aufgabe gerecht zu werden.

00:13:35: Das schwierige an der Operette ist ja gerade, dass sie von der Vielfalt lebt und von der unglaublichen Anspruch in allen Bereichen, Schauspiel, Tanz, Musik, Gesang und so weiter und so fort.

00:13:47: Und deswegen steht es eigentlich leuchtend beispielhaft dafür, was diese Idee von Zusammenwirken unterschiedlichster Kräfte und etwas auf den Punkt zu bringen, was uns vereint.

00:14:00: Die Operette durfte auch verhältnismäßig viel.

00:14:02: Also du hast von Politik gesprochen, das hat die Operette natürlich auch immer genutzt.

00:14:06: Es war damals eigentlich gesetzlich verboten, sich über Militär lustig zu machen.

00:14:11: Dann hat offenbar hier die Großherzigen von Gerald Stein gebracht, die eigentlich genau das ist, eine Perseflage auf das Militär.

00:14:17: Und bei der Operette wurde eben immer so ein bisschen das Auge zugedrückt, auch deshalb, weil du hast angesprochen, diese Stegreifgeschichten eine Rolle gespielt haben, also sehr viel.

00:14:26: war gar nicht so im offiziellen von der Zensur genau durchgelesenen Libretto festgelegt, sondern Kabarrirollen konnten immer wieder Sachen einbringen.

00:14:34: Und das wurde dann eben auch nicht verboten, sondern das hat hier so stattgefunden.

00:14:37: In dem Sinne war es natürlich auch irgendwo ein demokratischer Prozess, sich sowas anzuschauen.

00:14:42: Also Strauß ist ja von allen eigentlich bewundert worden.

00:14:45: Es gab keinen Komponisten, der nicht neidisch gewesen wäre, der ihn nicht bewundert hat.

00:14:50: Es gibt ganz wenige negative Dinge, die über ihn gesagt wurden, also im Grunde fast gar nichts.

00:14:57: Er hat Brahms kennengelernt bei der Zeit, als er den Karneval von Rom komponiert hat.

00:15:02: Das war also vor der Fledermaus und Strauß ist eigentlich der große Melodiker.

00:15:07: Ich habe mich aber gefragt, wie raffiniert und gut in Anführungszeichen ist es denn komponiert?

00:15:13: Ist das vergleichbar mit anderer Musik auf der Höhe der Zeit?

00:15:16: oder ist es wirklich Tanzmusik, die ihren Charme bekommt durch die... melodische Raffinesse und durch das Spiel mit der Agogik, mit der Rhythmik, was ihr als Musiker da reinbringt.

00:15:28: Es ist unglaublich, also auch von sozusagen, wenn wir diese Oberfläche zur Seite lassen, dass man denkt, heutzutage es war nur eine Tanzmusik oder so.

00:15:37: Es ist wirklich brillant und meisterhaft komponiert, zum Beispiel diese ganze Tercet, was wir jetzt gehört haben.

00:15:42: Das hat wirklich Parameten von den besten Komponisten.

00:15:45: Das hat wirklich mozartische Größe.

00:15:49: Auch alle Walzern, alle Stücke, Orchesterstücke, die ich von ihm gemacht habe oder die ich je gesehen habe, sind immer fantastisch komponiert, also vom Form her.

00:15:59: Das ist unglaublich.

00:16:00: Und die Instrumentation auch.

00:16:03: Der konnte wahnsinnig gut mit dem Orchester umgehen.

00:16:05: Es gibt wunderschöne Passagen im Fledermaus, die so maestrohaft instrumentierlich sind.

00:16:09: Wirklich, das konnten wirklich nur wenige.

00:16:13: Wir wissen aber auch, dass das einfach ein Ergebnis, einfach sehr... große Arbeit war.

00:16:17: Also sein Tag war wirklich sehr... gestrickt.

00:16:20: Immer um neun saß er sich zum Komponierstisch und komponierte und immer in Nachstunden.

00:16:26: Also er hat wirklich sehr, sehr, sehr viel Zeit verbracht mit Komponieren.

00:16:29: Das überhaupt nicht so, dass er so ein großer Talent war, der das irgendwie mit linken Hand beim Tassekaffee eben die Sachen unterschrieb.

00:16:35: Also hinter jeder diese leichte Kunst steckt wirklich große, große Arbeit.

00:16:40: Das war bei ihm genau so.

00:16:42: Also er war wirklich eine sehr harte, wie sagt man, worke, also workoholiker, musste wirklich sehr, sehr hart arbeiten.

00:16:49: Natürlich dazu seine unglaubliche, unglaubliche, melodische Genie, was wirklich auch zu vergleichen ist, bis mit Tchaikovsky oder Dvorak, hat das dazu gemacht, was das ist.

00:16:58: Die Musik scheint wie das Einfachste auf der Welt oder wie das Selbstverständigte auf der Welt, aber ich meine, es ist sehr, sehr, sehr viel Kunst und sehr viel Arbeit dahinten.

00:17:11: Wo du Tchaikovsky erwähnt hast, nur als kleine Anekdote.

00:17:13: Tchaikovsky wurde im Grunde auch von Strauß entdeckt.

00:17:16: Das ist so eine Anekdote oder eine Fußnote der Musikgeschichte, das eigentlich die ersten öffentlichen Aufführungen von Tchaikovskis Musik unter der Leitung von Strauß stattfand bei einer Russland-Tournee.

00:17:26: Und er hat hier, das will ich gar nicht sagen, um es zu relativieren, aber durch die Kapellmeister, die es hier gab, Gené und Milokar, auch sehr, sehr viel Unterstützung bekommen, die seine Noten kopiert haben, abgeschrieben haben.

00:17:39: Was du gesagt hast, er wurde wirklich eine von den wenigen Komponenten von allen bewundert.

00:17:46: Von Wagner, von allen.

00:17:48: Und ich meine, das ist nicht ohne Grund.

00:17:50: Gerade Leute wie Wagner waren gerade ganz kritische Leute.

00:17:53: Also ich glaube, das musste man einfach einsehen, diese unglaubliche Talent und diese unglaubliche Arbeit, die da einfach hinter diese leichte Musik steckt.

00:18:05: noch mal auf diese Ernsthaftigkeit zu sprechen kommen.

00:18:08: Wir haben uns auch mit dem Original Libretto beschäftigt, also das Sensor Libretto, was Strauß und Genie eingereicht haben zur Prüfung und da geht das Stück damit los, das Adele.

00:18:18: Schiller liest, also ein Stubenmädchen liest einen der größten, wichtigsten Dichter.

00:18:23: Ich habe einen Zitat gefunden, nicht das, was sie liest, aber ein anderes Zitat von Schiller, was ich sehr prägnant finde, eigentlich für die Fledermaus.

00:18:31: Das ist aus der ästhetischen Erziehung des Menschen.

00:18:34: Der Mensch ist nur da, ganz Mensch, wo er spielt, was vielleicht auch die Fledermaus... total zutrifft, weil alle Figuren scheinbar immer spielen.

00:18:44: Entweder sie spielen sich privat eine Rolle vor oder sie spielen im öffentlichen Raum eine Rolle, die sie gar nicht sind im wirklichen Leben, aber dieses Spiel ist permanent da.

00:18:54: Und ich glaube, es ist irgendwie auch symbolisch, dass es losgeht mit einem der größten Dichter, mit so viel Tiefe.

00:19:02: Wie hast du dich denn damit auseinandergesetzt, dass eigentlich eine weltumfassende Botschaft da drin steckt?

00:19:06: Also dieser so alberne Text Du i Du, auf den das Ganze dann hinausläuft, also eigentlich die Verschmelzung von allen Grenzen.

00:19:15: Alle Menschen werden Brüder, hätte Schiller eben auch gesagt.

00:19:19: Was ist denn, wenn man das so sagen darf, das Heilige oder die große Botschaft der Fledermaus für dich?

00:19:25: Naja, es heißt ja so schön glücklich, jetzt wer vergisst, was doch nicht so ändern ist, rein psychologisch betrachtet, liegt es auf der Hand.

00:19:33: Ich glaube, wir werden alle verrückt, wenn wir nicht guter Verdrängungskünstler drinnen wären.

00:19:39: Das ist gut so.

00:19:40: Andererseits wissen wir, wie fatal eben die Verdrängung ist, die Ignoranz, die daraus auch wachsen kann.

00:19:46: Und ich glaube, das ist im Kern die Botschaft auch dieses Stücks.

00:19:49: Also bis an gewissen Grad funktioniert das auf diesem höchst komplexen kulturellen Boden, auf dem wir tanzen.

00:19:56: Aber wir müssen drum wissen, es ist ein Tanz auf der Vulkan und das kann jederzeit keppen.

00:20:01: Und damit wird hier bewusst, unbewusst, die ganze Zeit gespielt, ganz im Sinne auch des Spiels, was sich immer selbst bewusst ist, das ist, glaube ich, auch das Geheimnis von der Kunst der Oper überhaupt, weil kein Mensch singt, nichts ist glaubwürdig, was auf der Opernbühne stattfindet, aber durch die Erhöhung bekommt es eben eine ganz andere... Überlebensgröße, wenn man so will und versetzt uns ja eigentlich auch, macht uns Zeitreisenden.

00:20:30: Und das ist auch ein Aspekt, der mich sehr interessiert.

00:20:32: Also wie wir eigentlich durch diese Kunst nicht nur zusammenwachsen und ein Merkmal setzen auf das, was uns vereint, in Gensalt zu dem, was im Alltag passiert.

00:20:42: Da wird immer der Fokus auf das gerichtet, was uns auseinander dividiert.

00:20:45: Sondern es macht uns auch größer und, wenn man so will, göttlich, weil wir durch Musik und Text und Reflexion, eine Sensibilität erwecken eben für unsere Allgegenwart durch Zeit und Raum.

00:20:58: Wir bilden eine Kette, eine Menschenkette, ein Bewusstseinskette, ein Kulturerbe.

00:21:03: und erst in dem Moment, wo wir einsehen, unsere begrenzte Zeit auf der Erde ist nichts und gleichzeitig ist es eben alles, weil wir können eben über alles nachdenken und wir können die Zeit neu erwecken, wir können Anwälte füreinander sein, große Ideen weiter tragen und davon lebt auch dieses Theater.

00:21:22: Wie inszeniert man das, diese großen Gedanken?

00:21:25: Indem man sich zunächst mal große Freiheiten nimmt, Herr Frosch wird es auch so beklagen wissen, wie der Direktor sich verhält in diesem Stück.

00:21:32: durch Zeit und Raum tanzt, wie eine Fledermaus.

00:21:36: Wir verorten das natürlich, weil es eben auch ein so wienerisches Phänomen ist, verorten wir das natürlich nirgendwo anders als im Hier und Jetzt in diesem Haus und gehen, aber so ein bisschen die Geschichte durchfühlen uns vogelfrei in diesem fidelen Gefängnis.

00:21:50: Wir beginnen mit Beethoven, mit Fidelio und wo wir landen, werde ich jetzt nicht verraten, aber wir gehen auch quasi sehr offen und frei und selbstbewusst und verspielt mit dem ganzen kulturellen Raum, in dem sich dieses Stück bewegt.

00:22:11: Das war unser Podcast zu der Fledermaus.

00:22:13: In der nächsten Ausgabe begrüßt sie mein Kollege Kai Wessler.

00:22:17: Dann geht es auch um ein wunderbares Stück, nämlich Alice in Wonderland von Unzug Chin.

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